Historie

Die Anfänge – Schaffung geordneter Verhältnisse

Seit Menschen sich in wachsenden Siedlungen niedergelassen haben, gehören Feuerkatastrophen sicherlich zu den bedrohlichsten Gefahren für jeden Einzelnen und die Gemeinschaft als Ganzes, konnte doch in kürzester Zeit die Lebensgrundlage jedes einzelnen völlig zerstört werden. So ist es nicht verwunderlich, dass bereits vor der Gründung der Feuerwehren zum einen bauliche, zum anderen organisatorische Maßnahmen ergriffen wurden, um solche Katastrophen zu verhindern.

Für den Rheingau findet sich 1562 als ein erstes greifbares Datum. In diesem Jahr hat die Stadt Eltville eine Feuerordnung erlassen, aus der ein Überblick über die Mittel zur Brandbekämpfung sowie über die dazu eingeteilten Personen hervorgeht. Beispielsweise mussten alle Einwohner lederne Eimer für Löschzwecke im Haus zu halten. Am örtlichen Ziehbrunnen stellte man Wasservorräte in Bütten für Löscharbeiten dauerhaft für eine schnelle Brandbekämpfung bereit.

Für Oestrich ist für 1579 eine Strafverfügung gegen einen Bürger überliefert, weil er sein Herdfeuer nicht ordnungsgemäß verwahrt hatte.

Umfangreiche feuerpolizeiliche Verordnungen für Oestrich finden sich erstmalig für das Jahr 1602. Schultheiß und Rat bestimmten die zwölf Schröter, die sonst die Weinfässer aus den Kellern und wieder hinein zu schroten hatten, zu Feuerläufern. Bei Ausbruch von Feuersbrünsten mussten Sie mit Ledereimern zur Brandstätte eilen. Auch die so genannten Schrotkärcher, die sonst Wein auf ihren Fuhren zu befördern hatten, mussten Wasserfässer heranfahren und hatten auf ihren Fuhren Feuerhaken und Leitern mitzuführen.

Erst in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts wurde das Feuerlöschwesen im Rheingau neu organisiert, z.B. wurde 1773 für das Amt Eltville eine gemeinsame Feuerspritze angeschafft. Diese stand für die Ortschaften Eltville, Erbach, Hattenheim, Oestrich, Mittelheim, Kiedrich, Rauenthal, Neudorf (heute Martinsthal), Ober- und Niederwalluf, Frauenstein, Ober- und Niedergladbach und linksrheinisch Budenheim zur Verfügung. In diesen Gemeinden standen zu dieser Zeit nach Erlass der Kurmainzischen Landesregierung Mannschaften zur Bekämpfung von Schadensfeuern zur Verfügung.

Dennoch dauerte es in Oestrich noch einmal mehr als 100 Jahre, bis eine „organisierte“ Feuerwehr eingerichtet werden konnte. Auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Hess und des Dachdeckermeisters Ignatz Schwarz wurden die Oestricher Bürger für Palmsonntag, den 27. März 1904, in den Gasthof zur Linde eingeladen. Gleichzeitig organisierte man von außerhalb Redner und „Ratgeber“, z.B. den Vorsitzenden des Feuerwehrbezirksverbands in Rüdesheim, Bruns und dessen Schriftführer, Daniel und die Kommandanten der Wehren aus Hattenheim, Rehard und Geisenheim, Rathemacher. Es erschienen rund 40 Bürger und Bürgersöhne, von denen sich 36 bereiterklärten der neuzugründenden Wehr beizutreten. Eine Anmeldung wurde kurzfristig zurückgezogen, so dass die Wehr zu Beginn aus 35 Aktiven bestand.

Niederschrift über die Vereinsgründung 1904

Rückblickend auf die früheren Verhältnisse und die nun neue Oestricher Feuerwehr fasste Bürgermeister Hess in besagter Versammlung treffend zusammen:

„Wo Unordnung ist, da ist aber Unordnung. Die vielfach allen guten Willen vereitelt. Wo aber Ordnung ist, da ist aber Ordnung durch welche sich auch mit verhältnismäßig wenig Leuten des dankbar höchste erreichten läßt.“

Etwa aus dem Jahr 1910 stammt der Strafzettel für Nicht-Erscheinen zu Übungen oder Einsätzen

Ein Stück weit lässt sich diese Aussage sicherlich auch noch auf die Situation heute übertragen. Dank einer guten Ausbildung, der technischen Ausrüstung und einer guten Organisation schafft es eine überschaubare Gruppe Freiwilliger, den Brandschutz und die Hilfeleistung jeden Tag, 365 Tage im Jahr und 24/7 zu gewährleisten. Für den einzelnen unentgeltlich, uneigennützig und zum Wohle aller. Natürlich geht ein gewisser Strukturwandel auch an den Feuerwehren nicht vorbei. Z.B. arbeiten viele außerhalb, so dass es vor allem tagsüber notwendig und selbstverständlich ist, unter den Feuerwehren der Stadt oder auch mit den Nachbarwehren zusammenzuarbeiten. Bei größeren Ereignissen war und ist die Zusammenarbeit schon immer selbstverständlich.

 

Vieles ist in über hundert Jahren passiert – Schlimmeres wurde verhindert

Es ist unmöglich, an dieser Stelle alle Einsätze der freiwilligen Feuerwehr Oestrich seit 1904 aufzuzählen.

Zu einem ersten Einsatz wurde die neue Wehr zu einem Waldbrand in Hallgarten gerufen. Unter den ersten Einsätzen war auch ein Brand in der Werkstatt des Schreinermeisters Winkel, bei der die Kameraden tatkräftige Hilfe leisten mussten.

Feuerwehr Oestrich anlässlich des 20jährigen Gründungsjubiläums 1924

Im Kriegsjahr 1944, am 25. November, wurde Rüdesheim durch Spreng und Brandbomben stark zerstört. Die Oestricher Wehr wurde dort, wie auch in Darmstadt und Frankfurt bei Aufräumungsarbeiten eingesetzt. Aber auch Oestrich selbst blieb von den Kriegshandlungen nicht verschont. Eine Fliegerbombe zerstörte mehrere Gebäude. Die nahe Kirche verlor durch die Druckwelle den größten Teil ihrer alten Buntglasfenster. Es gab auch hier sicherlich für die Feuerwehr alle Hände voll zu tun.

Am 1. Mai 1955 drohte die Freiwillige Feuerwehr Oestrich den Brandschutz niederzulegen, wenn nicht mit dem Bau eines neuen Feuerwehrhauses begonnen würde. Dieser Beschluss des Vorstandes wurde ein Jahr später in der Mitgliederversammlung bekräftigt. Zu dieser Zeit waren die Ausrüstungsgegenstände der Feuerwehr völlig unzulänglich im Oestricher Rathaus am Markt untergebracht. Das massive Vorgehen der Wehr hatte dann schließlich Erfolg.
Mannschaftswagen von 1959, ein ehemaliges PolizeifahrzeugNeubau des Gerätehauses in der Lindenstraße 1956

Der Kirchturmbrand am 22. Dezember 1963 ist sicherlich noch vielen älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Erinnerung geblieben. Das Feuer brach nach einem Kirchenkonzert im Kirchturm aus. Ein Kamin wurde später als Brandursache ermittelt. Um 19:00 Uhr wurde die Feuerwehr alarmiert. Innerhalb kürzester Zeit wurde die Turmhaube zu einer lodernden Fackel. Nachbarwehren und die Berufsfeuerwehr Wiesbaden eilten zur Hilfe. Schiffe auf dem Rhein halfen mit großen Schiffsscheinwerfern beim Ausleuchten des Geschehens. Unter Lebensgefahr begannen Helfer das Inventar aus der Kirche zu räumen und die Orgel abzubauen. Letztendlich musste die Polizei das Gebäude sperren, um zu verhindern, dass Menschen zu Schaden kommen. Bei den Löscharbeiten musste man sich letzten Endes darauf beschränken, das Übergreifen des Feuers auf Nachbargebäude und das Kirchenschiff zu verhindern. Dem Glück war es zu verdanken, dass die brennende Turmhaube nicht auf das Kirchenschiff stürzte und nicht weitere historische Teile der Kirche verloren gingen.

1964 der Kirchturm brennt wie eine Fackel

1964 der Tag danach

Bei einem Großfeuer am 03.09.1985 wurde eine 15.000 m² große Halle der Firma Renoplast Kunststoffverarbeitung auf dem Firmengelände Koepp durch einen Brand völlig zerstört. Alle Stadtteilfeuerwehren und die Freiwillige Feuerwehr Rüdesheim waren mit insgesamt 126 Mann im Einsatz. Das Löschwasser für die 30 Tonnen brennender PE-Folie, 3500 Liter je Minute, wurde aus dem Rhein gefördert. Ein Jahr später, am 27.06.1986 brannte erneut eine 3.000 m³ große Halle bei der Firma Renoplast. Mehrere Fahrzeuge, welche eine Entsorgungsfirma in den Hallen abgestellt hatte, wurden ein Raub der Flammen.

Fuhrpark aus dem Jahr 1984

Ab dem 27. März 1988 wurde die Feuerwehr Oestrich zu mehreren Einsätzen im Zusammenhang mit dem Jahrhunderthochwasser gerufen. Es galt ein Weingut mit einer 1,30 m hohen Mauer aus 300 Sandsäcken zu sichern und verschiedene Keller auszupumpen. Ein Düngemittellager wurde mit 200 Sandsäcken rechtzeitig abgedichtet, so dass eine Umweltkatastrophe verhindert werden konnte. Eine Zahnarztpraxis wurde mit 200 Sandsäcken gesichert und ein 150 m langer Holzsteg errichtet. Insgesamt war die Wehr 6,5 Tage im Einsatz. Die Freiwillige Feuerwehr Hallgarten unterstützte die Werkfeuerwehr der Firma Koepp 4,5 Tage mit 20 Kameraden.

Vollständig vernichtet wurde am 12. August 2004 die Gaststätte Rheinterrasse Schwed an der Rheinallee. Besondere Probleme bereitete den Einsatzkräften die undurchdringliche Dachhaut, die aus mehreren Dächern und Schichten übereinander bestand. Ein Übergreifen auf die benachbarte Bebauung konnte verhindert werden. Im Rahmen der Brandursachenermittlung erfolgte eine umfangreiche Befragung der Einsatzkräfte über den genauen Ablauf des Einsatzes, der eingesetzten Werkzeuge, der Brandstellen und der Brandintensität.

In der Nacht vom 26. auf den 27. Dezember 2006 wurden die Freiwillige Feuerwehr Oestrich, die anderen Stadtteilfeuerwehren und weitere Kräfte zum Brand des REWE-Marktes gerufen. Insgesamt waren 130 Frauen und Männer im Einsatz. Es entstand hoher Sachschaden.

Zum größten Rettungseinsatz in der Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr Oestrich kam es am 13. August 2012 nach einem Chemieunfall der ehemaligen Firma Koepp Schaumstoff. In einem Lagertank kam es durch eine chemische Reaktion mit Wasser zur Bildung von Toluylendiisocyanat, einem stark ätzenden Stoff, der als Wolke über dem Betrieb austrat. Gleichzeitig führte die Reaktion zu einer starken Erwärmung und einem Druckanstieg im Behälter. Rund 500 Einsatzkräfte aus der nahen und fernen Umgebung wurden mobilisiert. Neben den vier Stadtteilfeuerwehren die Nachbarwehren und unter anderem die Werkfeuerwehr des Chemieunternehmens Bayer aus Leverkusen zur Kühlung des Tanks mit Stickstoff. Feuerlöschboote aus Mainz und Wiesbaden bezogen Stellung am Rheinufer für eine ausreichende Wasserversorgung. Die Einsatzkräfte kühlten den Behälter mit Wasser und schlugen austretende Gase nieder. Die Bevölkerung wurde aufgefordert sich nicht im Freien aufzuhalten. Maßnahmen zur Evakuierung von 1000 Menschen in der Umgebung wurden vorbereitet. Insgesamt 26 Einsatzkräfte wurden verletzt. Es dauerte bis zum 08. September, beinahe vier Wochen, bis der Einsatz durch die Einsatzleitung endgültig als beendet erklärt werden konnte.

Neben den beispielhaft genannten „spektakulären“ Ereignissen werden die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Oestrich – je nach Einsatzlage – auch zusammen mit den Kameraden der anderen Ortsteilfeuerwehren regelmäßig zu einer Vielzahl von Einsätzen in der Stadt oder auch zur Unterstützung in den Nachbarorten gerufen. Dem guten Ausbildungsstand, dem schnellen und beherzten Eingreifen und der technischen Ausrüstung ist es zu verdanken, dass in aller Regel größere Schäden für Leib und Leben und an Sachenwerten meist verhindert werden können und die Einsätze dankenswerter Weise „unspektakulär“ verlaufen.